Bahlinger SC – TSG Balingen 2:0

Deutschland, Regionalliga Südwest (4. Liga)
Samstag, 20. Februar 2021, 14 Uhr
Bahlingen am Kaiserstuhl, Kaiserstuhlstadion – Platz 2
 

Der Trip nach Dortmund am vergangenen Wochenende hat gezeigt: Einfach nur zum Fußball fahren bringt aktuell nichts. Das Spiel mag der Anlass sein, sich überhaupt auf den Weg zu machen, der Hauptdarsteller des Tages ist es unter diesen Umständen aber nicht mehr. Es muss ein vernünftiges Rahmenprogramm her, denn nur wegen Fußball lohnt es sich nicht. Etwas aus dem Hut zu zaubern, was ein bisschen Abwechselung in den Tag bringt, ist im Lockdown aber kein leichtes Unterfangen, denn die üblichen Verdächtigen scheiden aus: keine Gastronomie, keine Freizeitangebote, geschlossene Geschäfte, nicht einmal Museen haben geöffnet. Aber wer sucht, der findet – und so ist heute der Weg das Ziel. Wir lassen uns ein Baden-Württemberg-Ticket raus und nehmen mit dem Zug nicht den direkten Weg an den Kaiserstuhl, sondern suchen uns schöne Bahnstrecken quer durch den Schwarzwald aus. Zeit ist ja reichlich vorhanden, da eh kein zweites Spiel auf uns wartet. Auf dem Hinweg fahren wir auf der Höllentalbahn von Donaueschingen nach Freiburg. Es handelt sich hierbei um die steilste Bahnstrecke Deutschlands. Früher konnte der Bahnverkehr hier nur mithilfe einer Zahnstange betrieben werden. Die Zeiten sind zwar vorbei, dennoch müssen auch heute noch immer zwei Lokführer mitfahren, da etwa bei einem Herzinfarkt die automatische Notfall-Technik auf dieser besonderen Strecke zu spät anschlagen würde und stattdessen schnell der Ersatz-Lokführer einspringen muss. 2016 wurde die Höllentalbahn leider Teil der sogenannten Breisgau-S-Bahn. Seitdem werden moderne Züge eingesetzt, die der Strecke ein bisschen den Charme nehmen. Trotzdem: Ein paar spektakuläre Aussichten gibt es noch, da das Höllental stellenweise so schmal ist, dass nur Platz für die Straße war und die Bahnstrecke durch die Felsen geführt werden muss. Schön anzusehen sind entlang der Strecke auch die Bahnhofsgebäude im Schwarzwälder Chalet-Stil. Während oben teilweise noch Schnee liegt, misst das Thermometer unten in Freiburg heute 20 Grad. Für die südlichste Großstadt Deutschlands haben wir zwei Stunden im Tagesprogramm eingeplant, die wir vor allem auf dem wohl bekanntesten Wochenmarkt Deutschlands verbringen. Der Freiburger Münstermarkt hat ein starkes Sortiment regionaler Produkte, zumal in einem Umkreis von 50 Kilometern mit dem Elsass, dem Schwarzwald und dem Kaiserstuhl drei echte Genuss-Regionen liegen. Krass ist, welche Menschenmassen in Freiburg heute auf den Beinen sind. Stellenweise geht es auf einem Weihnachtsmarkt gemächlicher zu. Da fragt man sich, warum dann eigentlich der Einzelhandel nicht öffnen darf, wenn auch ohne ihn die ganze Stadt auf den Beinen ist. Auf den letzten Drücker machen wir uns mit der S-Bahn auf den Weg an den Kaiserstuhl, der wärmsten Ecke Deutschlands. Dort laufen heute schon Leute in T-Shirt und kurzer Hose herum, während ich vor sechs Tagen noch in Dortmund zwischen Schneebergen stand. So ein kurzer Heimaturlaub tut einfach gut! Zwar herrscht inzwischen auch in NRW deutlich besseres Wetter, aber natürlich nicht so wie am Kaiserstuhl. Vom Bahlinger Bahnhof Riedlen aus liegt das Kaiserstuhlstadion aus keine fünf Gehminuten entfernt. Auch ein Supermarkt und ein Döner-Imbiss sind nicht weit weg – ideale Voraussetzungen, insbesondere unter den aktuellen Umständen. Da ist so etwas schon ein Highlight. Genau wie in der Vorwoche in Dortmund geht es am Eingang des Kaiserstuhlstadions unkompliziert zu. Auch hier muss man sich nicht ausweisen, muss nicht einmal etwas unterschreiben, sondern kann einfach reinmarschieren. Frechheit siegt. Trotz des guten Wetters wird nur auf dem ausbaulosen Nebenplatz des Kaiserstuhlstadions gespielt. Glücklicherweise. Da der Hauptplatz schon eingetütet ist, hätte das sonst für uns schließlich erst recht keinen Sinn gemacht. Aber auch auf dem Nebenplatz ist das alles unter diesen Umständen nur mäßig sinnhaft. Besonders schmerzt in diesem Fall das Fehlen eines kulinarischen Angebots, denn mit Wein vom Kaiserstuhl und Merguez aus dem benachbarten Frankreich wartet hier in normalen Zeiten ein durchaus attraktives Angebot. Gewitzelt wird auch dieses Mal über das Aufeinandertreffen der beiden Ba(h)lingen, der Stadionsprecher spricht sogar von einem „Stadtderby“. Der Witz hat so langsam aber einen langen Bart, denn in der Regionalliga gibt es dieses Duell nun schon seit 2019 und zuvor traf man auch in der Oberliga Baden-Württemberg aufeinander. Es soll trotzdem noch Experten geben, die beim Auswärtsspiel ihres Vereins ins falsche Ba(h)lingen fahren. 25 Zuschauer sind dieses Mal zugegen, darunter eine kleine Hopper-Fraktion, sowie etwa 20 Zaungäste, auch darunter eine kleine Hopper-Fraktion. Besondere Aufmerksamkeit zieht unter den Zaungästen ein Ehepaar der Marke Frührentner auf sich, das direkt hinter dem Tor in Stellung geht: Sie knallt sich eine Pulle Bier nach der anderen rein, er lässt alle paar Minuten ein lautstarkes „Beeeeeeee Eeeeeees Ceeeeeee“ über den Kunstrasen hallen. Großartig und ebenfalls ein Highlight in diesen trüben Corona-Zeiten. Mitte der ersten Halbzeit fährt dann auch mal die Polizei vor und überwacht, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht. Die Überwachung sieht so aus, dass die beiden Beamten bis zum Schlusspfiff neben der Eckfahne stehenbleiben, in aller Ruhe das Spiel anschauen und sich die ganze Zeit mit einem Ordner über Gott und die Welt unterhalten, ohne den Mindestabstand einzuhalten. Überraschung. Kein Problem scheint auch zu sein, dass sich drei Mädels während des Spiels durch einen Hintereingang reinschleichen und zufällig vor den beiden Polizisten aus dem Gebüsch hüpfen. Anzeige? Fehlanzeige. Dann werden die halt einfach einfach nachträglich mit auf die Anwesenheitsliste geschrieben und fertig. Regionalliga hin oder hier, wir sind hier auf dem Dorf und da geht manches dann doch umkomplizierter durch. Umso amüsanter, dass sich die Regionalliga Südwest zur Profiliga erklärt hat, um die Corona-Verordnungen auszuhebeln und den Spielbetrieb fortsetzen zu können. Mit einem Ground mehr in der Tasche, den wir in normalen Zeiten wohl niemals angesteuert hätten, machen wir uns nach dem Spiel auf die Heimreise, die abermals nicht auf dem direkten Weg nach Hause führt. Mit einer herrlichen Auswahl südbadischer Biere und Schwarzwälder Schinken in der Tasche entscheiden wir uns, durch das Kinzigtal fahren. Die Bahnstrecke von Offenburg nach Freudenstadt ist zwar nicht so spektakulär wie die Höllentalbahn, das macht aufgrund der einsetzenden Dunkelheit aber eh nichts. Auf den ersten Kilometern bekommen wir noch einen traumhaften Sonnenuntergang über den Bergen des Schwarzwalds zu sehen, dann können wir uns aber voll und ganz aufs Bier trinken konzentrieren. Ein Tag, der zumindest ein Erlebnis auf Sparflamme geboten hat, auf Dauer in der Form aber auch keine echte Freude bringt.