Freitag, 25. Oktober 2019, 16 Uhr
Bischofswerda, Wesenitzsportpark
Man muss schon sagen: Was sich der NOFV da heute in Bischofswerda leistet, ist eine Frechheit neuer Dimension. Dass Spiele immer mal wieder eine unliebsame Anstoßzeit bekommen, um unliebsamen Gästefans die Anreise zu erschweren, damit sie bestenfalls gleich zu Hause bleiben, ist ja nichts Neues. In der Regel muss dann aber irgendeine dumme Ausrede wie zum Beispiel zu schwaches Flutlicht herhalten, um solch eine Verlegung zu rechtfertigen. Bei einer Anstoßzeit von 16 Uhr an einem ganz normalen Freitag braucht man sich diese Mühe jedoch gar nicht erst zu machen, denn da kann man den Grund nun wirklich nicht mehr abstreiten. Bischofswerda liegt zu nah an Dresden, da will man so wenige Lokisten wie möglich in der Stadt haben. Auch wir müssen aufgrund der frühen Anstoßzeit schon in der Nacht in Stuttgart aufbrechen, haben dafür aber noch ein bisschen Zeit, um uns in Dresden und Bischofswerda umzusehen. Für die Dresdner Altstadt gibt es wie gewohnt Höchstnoten, Bischofswerda (11.000 Einwohner) macht hingegen einen extrem verschlafenen Eindruck. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass es heute in der Stadt vor Polizei nur so wimmelt. Schon am Bahnhof muss man durch ein Spalier der Staatsmacht laufen und wird dabei genau beobachtet, ob man Gästefan sein könnte. Den Bischofswerdaer FV hatte ich vor drei Jahren schon einmal besucht (Link), damals noch in der Oberliga. Inzwischen ist der frühere DDR-Erstligist in die Regionalliga aufstiegen ist, weshalb er seine Kampfbahn am Schmöllner Weg verlassen hat und in den größeren Wesenitzsportpark gezogen ist. Der besitzt auch einen wesentlich größeren Gästeblock, wobei es zunächst danach aussieht, als würde der heute gar nicht gebraucht werden: Beim Anpfiff sind nur etwa 80 Fans aus Leipzig anwesend, aber keine Ultras. Würde ja nicht wundern, wenn die aufgrund der Anstoßzeit boykottieren, doch mit kleiner Verspätung rücken sie dann doch an. Dass umgehend ein großes Protestspruchband am Gästeblock aufgehängt wird, das dort das ganze Spiel über hängen bleibt, ist das Mindeste, was man tun kann. Insgesamt ist der Gästeblock wesentlich schlechter gefüllt als gedacht, was auch für das restliche Stadion gilt. 577 Zuschauer werden offiziell vermeldet, womit also auch der Bischofswerdaer FV aufgrund ausbleibender Einnahmen ein Verlierer dieser Anstoßzeit ist. Supportmäßig bringen die Gästefans genau das, was ich erwartet hatte, was mir aber leider auch überhaupt nicht gefällt. Sehr unmelodisch, wenig Feingefühl. Brachial soll es eigentlich sein, aber wenn wie heute die Masse fehlt, dann wirkt es eher stumpfsinnig. Andererseits: Vom Stil her ein Gegenentwurf zu Chemie Leipzig, was ja mit Sicherheit auch so gewollt ist. Bei Bischofswerda gibt es ebenfalls organisierte Fans, von denen in der Innenstadt überraschenderweise fast mehr Aufkleber zu sehen sind als von Dynamo Dresden. Support kommt auf Heimseite heute allerdings nicht zustande, was durch Loks klaren 3:0-Sieg auch nicht gerade begünstigt wird. Dringend Erwähnung finden muss die Dame vom Bischofswerdaer Bahnhofskiosk, die ihre Türe wie gewohnt um 18 Uhr zuschließt. Als dann aber zehn Minuten nach Ladenschluss immer mehr Zuschauer des kurz zuvor abgepfiffenen Spiels vor der Tür stehen und hoffnungsvoll gegen die Scheibe klopfen, um noch ein paar Bierchen für die Zugfahrt zu kaufen, rechnet das Fräulein kurz eins und eins zusammen und macht die Tür tatsächlich noch einmal auf. Im Gegensatz zur Anstoßzeit eine Maßnahme, bei der es nur Gewinner gibt. Mit vollem Rucksack geht es somit zurück nach Dresden, wo wie üblich der Besuch beim Stamm-Vietnamesen in der Neustadt wartet.