Racing Colombes 93 - Le Mée SF 2:2

Frankreich, National 3 – Groupe L (5. Liga)
Samstag, 26. Januar 2019, 14 Uhr
Colombes, Stade Lucien Choine

Nach dem gestrigen Besuch beim Red Star folgt heute mit dem Racing die nächste Gallionsfigur des französischen Fußballs. Die drei Pariser Vereine Red Star, Racing und Stade Français waren in den Anfangstagen eine Macht in Frankreich und spielten jahrzehntelang vorne mit. Der Pariser Racing war deshalb sogar Namensgeber für den in Strasbourg. Denn als das Elsass 1919 wieder französisch wurde und der Verein noch FC Neudorf hieß (wie der gleichnamige Stadtteil von Strasbourg), forderten die neuen Machthaber eine Umbenennung, weil der alte Name zu deutsch klang. In jenen Tagen wurde im Elsass eine strenge französische Assimilierungspolitik betrieben. Da der Pariser Racing damals zu den wichtigsten Vereinen in Frankreich gehörte, übernahm der FC Neudorf sowohl den Namen als auch die Farbe Hellblau vom Vorbild der neuen Hauptstadt. Kurioserweise feiert der Racing Strasbourg genau an diesem Wochenende die vor 100 Jahren stattgefundene Umbenennung – mit einem großen Corteo durch die Innenstadt, angeführt von den Ultra Boys und Vereinspräsident Marc Keller. Auf mich persönlich wirkt das sehr befremdlich, weil die Umbenennung nicht freiwillig erfolgte und die Vereinsgeschichte nicht 1919, sondern 1906 begann. Dass man die ersten 13 Jahre regelrecht streicht, nur weil sie unter deutscher Herrschaft stattfanden, hat schon nationalistische Züge und passt irgendwie so gar nicht zur Europastadt Strasbourg (Video vom „100 Jahre Racing“-Marsch). Das Original im 500 Kilometer entfernten Paris, das 1907 und 1936 französischer Meister sowie 5x Pokalsieger wurde, blieb bis 1966 erstklassig, konnte von 1983 bis 1990 noch einmal ins Oberhaus zurückkehren, ist seitdem aber völlig abgestürzt. Genau wie der Red Star stammt auch der Racing, der sich ursprünglich Racing Club de France nannte, nicht aus Paris direkt, sondern aus dem Vorort Colombes im Département Hauts-de-Seine (Ordnungszahl: 92). Man muss aber dazu sagen: In Paris fanden anders als zum Beispiel in Berlin nie Eingemeindungen statt. Formal sind Städte wie Colombes und Saint-Ouen also nicht Paris, allerdings schon seit Ewigkeiten mit der Hauptstadt verwachsen. Grundsätzlich wirken fast alle Städte aus den drei Départements, die Paris umschließen (92, 93 und 94), wie Paris selbst, sind voll in das Nahverkehrsnetz der Hauptstadt integriert und verfügen teilweise sogar über einen Métro-Anschluss. Formal aber ist Colombes nicht Paris, weshalb der Racing und der Red Star nicht den Namen Paris, sondern die Ordnungszahl ihres Départements im Vereinsnamen tragen. Eigentliche Heimstätte ist das Stade Olympique Yves du Manoir, in dem das WM-Finale von 1938 ausgetragen wurde, ebenso die wichtigsten Fußballspiele von Olympia 1924. Dazu fand hier bis in die 1970er-Jahre hinein das französische Pokalfinale statt. Ein echter Mammut also unter Europas Fußballstadien. Genutzt wird es inzwischen aber nur noch von der wesentlich erfolgreicheren Rugby-Abteilung des Racing, während die Fußballer im direkt angrenzenden Stade Lucien Choine ihre Heimspiele austragen. Hat immerhin auch ein bisschen Charme, vor allem aber durch das Stade Olympique Yves du Manoir, das im Hintergrund aufblitzt. Eine richtige Fanszene haben die Racing-Fußballer zwar nicht mehr, trotzdem sind ein paar Leute mit hellblau-weißen Schals unterwegs. Die schon im Linienbus auf dem Weg zum Stadion zu sehen, ist bei einem französischen Fünftligaspiel mehr als ungewöhnlich. Der Racing ist aber wie gesagt auch kein gewöhnlicher Verein. Das Heimspiel gegen Le Mée aus dem am anderen Ende der Île-de-France gelegenen Département 77 (Seine-et-Marne) ist das einzige meiner vier Spiele, die bei dieser Tour besucht werden sollen, das wie geplant stattfindet. Leider ist das in dem Fall völlig verschenkt, denn der Racing ist auch in puncto Anstoßzeiten eine absolute Ausnahme. Fast alle Heimspiele werden samstags um 14 oder 15 Uhr angepfiffen. Eine Anstoßzeit also, zu der im auf den Freitagabend, Samstagabend und Sonntagnachmittag fixierten französischen Fußball sonst nichts los ist und die sich somit ideal für Doppler eignet. An einem Tag aber nur den Racing zu schauen und am Abend nichts anderes mehr, ist vollkommen verschenkt. Darauf läuft es allerdings leider hinaus, denn das alternativ herausgesuchte Fünftliga-Heimspiel von Gobelins wird nicht angepfiffen. Dieses Mal ist nicht das Wetter Schuld, sondern der Nichtantritt der Gästemannschaft. "Schön", dass das erst fünf Minuten vor Anpfiff vom Verband kommuniziert wird. So bin ich längst nicht der einzige, der am Pariser Stadtrand gelgenen Stade Maryse Hilsz aufkreuzt. Glücklicherweise kann man sich dieser Tage die Samstagabende in Paris dank Gelbwesten-Bambule auch anders vertreiben. Unglaublich, wie sich die Stadt plötzlich in eine Festung verwandelt und der Bereich um die Champs-Élysées aus Angst vor den Geldwesten quasi von der Außenwelt abgeschnitten wird, mehrere Métro-Stationen abgehängt werden und sich Geschäfte verbarrikadieren.