Donnerstag, 29. März 2018, 15 Uhr
Viareggio, Stadio Comunale dei Pini
Das gelobte Land wird zwar regelmäßig
besucht, so eine schöne, mehrtätige Zug-Tour durch bella Italia war
aber schon eine Weile nicht mehr dabei. Wird also höchste Zeit,
zumal ich der Meinung, dass das richtige Italien-Feeling wirklich nur
dann aufkommt, wenn man das quietschende Material der Trenitalia
unter dem Arsch hat und mit all diesen skurrilen, dauerhaft
Sonnenbrille tragenden Leuten im Waggon sitzt, die dieses Land so
liebenswert machen. Zunächst aber muss mit dem Flugzeug Vorlieb
genommen werden, was sich für uns Baden-Württemberger bei einer Reise nach Italien ja nur im
seltensten Fall lohnt. Ryanair haut aber für die Strecke Frankfurt –
Pisa ein unwiderstehliches Zehn-Euro-Angebot raus, so dass es erst
einmal ein paar Meter in Richtung Norden geht, um dann im geliebten
Süden zu landen. Ryanair gibt damit auch vor, in welcher Region die
ersten zwei Tage verbracht werden, nämlich in der Toskana. Das war
schließlich noch gar nicht so klar, denn der italienische
Fußballverband hat sich für den Gründonnerstag etwas ganz
Besonderes einfallen lassen: einen landesweiten Spieltag in der Serie
D, ausgetragen zeitgleich um 15 Uhr. Überall zwischen Sizilien und Trieste rollt
also zur fan-unfreundlichen Zeit der Ball. Denn: In Italien ist weder
der Gründonnerstag noch der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag.
Rund 80 Spiele stehen damit zur Auswahl. Den Zuschlag bekommt mit
Viareggio gegen Savona ein Duell zweier Hafenstädte, in denen
jeweils eine kleine Ultras-Szene existiert. Der Ryanair-Flugplan will
es so, dass das neben Pisa gelegene Viareggio bereits am Vortag
angesteuert wird, was aber wahrlich nicht schlimm ist, denn Viareggio
ist gleich in mehrfacher Hinsicht einen Besuch wert. Die
60.000-Einwohner-Stadt hat schon eine lange Tradition als Seebad.
1822 ließ sich hier Napoleons Schwester Pauline Borghese nieder,
vier Jahre später entstanden die ersten Badeanstalten am Strand. Sie
bilden noch heute so etwas wie die Wahrzeichen von Viareggio.
Dutzende dieser Bars, die man durch kleine Tore samt Schriftzug betritt, säumen die Strandpromenande. Sie tragen klangvolle Namen wie Roma, Sole oder Perla del Tirreno.
Letzterer („Perle der Tyrrhenischen Meers“) ist auch der Beiname
von Viareggio selbst, der unter anderem auf der Gegengerade des
Stadions zu lesen ist. Ebenfalls auf der Gegengerade wird Werbung für
den Karneval von Viareggio gemacht, der hier seit 1873 gefeiert wird
und in Italien einen ähnlich hohen Bekanntheitsgrad genießt wie der
Karneval von Venedig. Ebenfalls bekannt ist Viareggio als Standort
des weltweit größten Yachtherstellers Benetti, der hier seine
Mega-Yachten ab 40 Metern Länge bauen lässt. Die am Hafen gelegene
Fabrikhalle ist nicht weit vom Stadion entfernt. In Viareggio gibt’s
also jede Menge zu sehen, vor allem der Seebad-Charme macht aber den meisten Eindruck.
Grund des Besuch ist aber natürlich der Fußball, der im leicht
ramponierten Stadio dei Pini geboten wird. Wie der Name schon sagt,
ist das Stadion von zahlreichen Pinien umgeben, was für jede Menge
italienisches Flair sorgt. Überhaupt geht’s – wie so oft in der
Serie D – recht gemütlich zu: keine personalisierten Tickets, kaum
Bullen, ganz normaler Bier-Ausschank. Heim- und Gästeblock befinden
sich jeweils auf der Gegengeraden, mit rund 20 Leuten sind beide
Truppen presenti. Ich persönlich finde so etwas ja 10.000x geiler
als irgendwelche großen Kurven à la Juve oder Milan, zumal hier
sowohl Viareggio als auch Savona volle 90 Minuten lang Gas geben. Beide dazu mit "Diffidati presenti"-Fahne am Start.
Macht richtig Spaß, da einen das auch die Rahmenbedingungen wie
angesprochen ungestört erleben lassen und keiner einem auf
die Eier geht. Dass kurz nach Anpfiff sogar noch die Sonne
herauskommt, lässt die Laune dann endgültig in maximale Höhen
schnellen. Besser hätte der Tour-Auftakt gar nicht sein können. Und
wie es der Spielplan so will, wartet am Abend ja auch noch ein
zweites Spiel.