Ostersonntag, 16. April 2017, 14 Uhr
Merseburg, Stadtstadion
Wer gerade aus Westberlin kommt, der fühlt sich in Merseburg erst einmal ein wenig
verloren. Ein überdimensioniertes, aber menschenleeres
DDR-Bahnhofsgebäude nimmt einen im Empfang, und auch im Stadtzentrum
läuft einem nur selten jemand über den Weg. Bezeichnend, dass dort ein großer Schaukasten für Bekanntmachungen der Stadt
Merseburg steht, in dem aber nur zwei kleine Zettel hängen. Immerhin: Trotz
seiner nur 35.000 Einwohner besitzt Merseburg eine Straßenbahn.
Geschuldet sein dürfte dies den zu DDR-Zeiten brummenden
Leuna-Werken, die nur wenige Kilometer entfernt liegen. Im größten
Chemie-Betrieb der DDR arbeiteten einst 30.000 Leute. Die Zeiten sind
lange vorbei, die Straßenbahn gibt es aber noch immer – und man fragt
sich: Wie kann man sich diesen Luxus leisten? 30-Minuten-Takt, am Wochenende
sogar nur 60-Minuten-Takt, die letzte Fahrt
erfolgt bereits kurz nach 19 Uhr. Es werden Gegenden angefahren, die
in den alten Bundesländern nicht einmal einen Bus-Anschluss hätten.
Dazu gehört auch das etwas außerhalb gelegene Stadtstadion, das
natürlich auch über eine eigene Haltestelle verfügt, an dem am
heutigen Spieltag gerade einmal zwei Personen aussteigen. DDR-typisch ist
auch das Stadtstadion selbst, dessen Stehtraversen und verstaubte
Kassenhäuschen echte Ostalgie aufkommen lassen. Zu DDR-Zeiten wurde
der SV Merseburg den Leuna-Werken als Betriebssportgemeinschaft
angegliedert und spielte in den 80er-Jahren sogar mal eine Saison lang
in der Oberliga, die die höchste Liga der DDR war. Nach der
Wiedervereinigung gab man sich wieder seinen ursprünglichen Namen zurück.
Nicht ganz so gut mit dem restlichen Stadion harmoniert die 2010
eingeweihte Haupttribüne, die viel zu flach gebaut wurde. In
Anbetracht der großen Stehtraversen ist sie aber ohnehin nicht der
Hingucker.