Sportfreunde Stuttgart – MTV Stuttgart 1:3

Deutschland, Bezirkspokal Stuttgart (2. Runde) 
Dienstag, 17. September 2019, 19.30 Uhr 
Stuttgart, Eintracht-Platz 

Oben auf der Waldau wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleich mehrere Stuttgarter Fußballvereine der ersten Stunde angesiedelt. Die Kickers sind der berühmteste, nennen muss man aber auch die Eintracht und die Sportfreunde. Sie alle spielten früher auf dem Cannstatter Wasen, der damals noch ein Exerzierplatz der württembergischen Armee war. Dort war einfach die nötige Fläche vorhanden, um diesen anfangs noch so verpönten Sport zu betreiben. Ein Exerzierplatz befand sich aber auch oben auf der Waldau, wohin einige Vereine schließlich verfrachtet wurden, weil es auf dem Wasen zu eng wurde. Während der Stuttgarter Fußball heute am Boden liegt und sich hinter dem VfB und den Kickers eine große Lücke auftut, sah das bis 1950 noch ganz anders aus. In der Gauliga Württemberg, die bis 1945 die höchste Liga war und deren Sieger an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft teilnehmen durften, stellte Stuttgart stellenweise sieben Erstligisten – bei gerade einmal zehn teilnehmenden Mannschaften. Die Kickers waren wie schon in den Vorjahren der erfolgreichste Verein der Stadt und holten fünfmal den württembergischen Titel. Der zweite Platz gehörte mit vier Titeln dem VfB, der aber die Sportfreunde im Nacken hatte. Etwa in der Saison 1936/37 gelang es ihnen, hinter den Kickers, aber vor dem VfB Gauliga-Zweiter zu werden. Perspektivisch gelang es den Sportfreunden jedoch nicht, dem VfB seinen Rang als Nummer 2 der Stadt abzulaufen. 1947 schafften es den Sportfreunden zwar, in die Oberliga Süd aufzusteigen, womit die Saison 1947/48 die einzige seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist, in der Stuttgart mit den Kickers, dem VfB und eben den Sportfreunden gleich drei Erstligisten stellte, danach ging es aber stetig bergab. Heute spielen die Sportfreunde nur noch in der Kreisliga A. Trotz der Konzentration von gleich drei ehemaligen Erstligisten, die Tür an Tür leben, ist auf der Waldau nie ein zweites Stadion neben dem Kickers-Platz (wie das Waldaustadion von 1905 bis 1987 hieß) entstanden. Wahrscheinlich muss man sagen: Wegen der Konzentration ist kein zweites Stadion entstanden, denn ihre Spitzenspiele mit fünfstelliger Zuschauerzahl trugen Sportfreunde und Eintracht immer auf dem benachbarten Kickers-Platz aus, auf dem 1911 ja sogar eines der ersten deutschen Länderspiele stattfand. Kleiner Fun Fact: Die Kickers wiederum trugen ihre Spitzenspiele aufgrund der größeren Kapazität im Neckarstadion aus. Bei der Endrunde um die deutsche Meisterschaft 1939 trafen die Blauen auf Admira Wien, mit 70.000 Zuschauern war das Neckarstadion komplett ausverkauft, Tausende mussten vor den Toren warten. Diese 70.000 stellen bis heute den Zuschauerrekord im Neckarstadion mit Beteiligung eines Stuttgarter Vereins dar. Zwar kamen 92.000 Zuschauer zum Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1949 zwischen Borussia Dortmund und dem VfR Mannschaft, ganze 103.000 Zuschauer zum Länderspiel zwischen Deutschland und der Schweiz 1950 sowie immerhin 80.000 zum Europapokalfinale 1959 zwischen Real Madrid und Stade Reims, aber der VfB konnte diese 70.000 der Kickers nie knacken – natürlich auch bedingt durch die inzwischen wesentlich niedrigere Kapazität. Doch zurück auf die Waldau und das Hier und Heute. Eintracht und Sportfreunde besitzen jeweils eigene, ausbaulose Sportplätze, auf denen ich irgendwann im Lauf der Jahre rund um ein Kickers-Heimspiel sicherlich mal 45 Minuten gesehen habe (die Vereinsheime und Biergärten beider Vereine sind bei Kickers-Heimspielen beliebte Treffpunkte), aber so richtig zähle ich das natürlich nicht. Es muss also mal ein separates Heimspiel der Sportfreunde sein und da kommt das heutige Pokalspiel gegen den MTV Stuttgart gerade recht. Ziemlicher Griff in die Scheiße, denn da ich eigentlich dachte, mit dem Areal vertraut zu sein, habe ich mich nicht weiter mit der Ansetzung beschäftigt. Ganz so vertraut bin ich dann aber doch nicht, denn es war mir entfallen, dass der Sportfreunde-Platz gar kein Flutlicht besitzt. Die Partie wird also hinüber zum Lokalrivalen auf den Eintracht-Platz verlegt. Quasi wie in alten Zeiten. Im Zuge des Ausbaus des Waldaustadions erhielt der Eintracht-Platz zwar ein umfangreiches Facelifting und ein paar Stehstufen, ist jetzt also attraktiver als der Sportfreunde-Platz, hinter ihn habe ich aber mittlerweile schon ein Kreuzchen setzen können. Sehr ärgerlich. Anstandshalber wird eine Halbzeit angeschaut und dabei ein bisschen in der Geschichte des Stuttgarter Fußballs geschwelgt, die zweite Halbzeit wird aber formgerecht im inzwischen sehr modernen Vereinsheim der Sportfreunde verbracht.