Italien, 2a Categoria Lombardia – Girone P (8.Liga)
Sonntag, 2. April 2023, 18 Uhr
Milano, Centro Sportivo Agostino Cascella
Mit der Straßenbahn geht es von Sesto zurück nach Mailand. Am San-Siro-Stadion Umstieg in den Bus und ab zum nicht weit von ihm entfernten Centro Sportivo Agostino Cascella. Wie erwähnt gehört Mailand zu den wenigen Ecken in Italien, wo man am späten Sonntagnachmittag auch noch Spiele sehen kann. Man hat sogar eine richtige Auswahl. In diesem Fall fällt die aber nicht schwer, denn es geht zu Partizan Bonola. Die Calcio-Popolare-Vereine schießen in Italien derzeit richtig aus dem Boden, Partizan Bonola ist einer von ihnen. Was ist Calcio Popolare? Grob gesagt: eine Gegenbewegung zum modernen Fußball. Gerade an großen Fußballstandorten entstehen diese Vereine, gegründet von frustrierten Fans der italienischen Top-Vereine. Sportlicher Erfolg steht im Hintergrund, stattdessen soll alles familiär, bodenständig und bezahlbar sein. Dass es ausgerechnet in Mailand einen Calcio-Popolare-Verein gibt, wo es mit Milan und Inter gleich zwei völlig abgehobene Millionärsclubs gibt, wundert natürlich nicht. Dass Partizan Bonola seine Heimspiele so nah am San-Siro-Stadion austrägt, halte ich allerdings für Zufall, denn diese Vereine dürften froh sein, dass sie überhaupt irgendwo unterkommen können. Hausherr des Centro Sportivo Agostino Cascella ist die US Triestina Milano und da die mit ihren Heimspielen Vorrang hat, geht Partizan Bonola mit der Anstoßzeit auf den späten Nachmittag. Umso besser. Heute ist deutlich mehr los als sonst, denn bei einem Punktgewinn wird der Calcio-Popolare-Verein vorzeitig Meister und steigt in die siebtklassige 1a Categoria auf. Sportlicher Erfolg ist zweitrangig, aber auch nicht völlig unwichtig. Was ich nicht wusste: Auch beim Gegner Real Trezzano gibt es Ultras, so dass hier ordentlich Action los ist. Bereits beim Einbiegen in die Sackgasse am Mailänder Bus-Depot, an deren Ende das Sportzentrum liegt, sehe ich einen Pulk von etwa 25 Gäste-Ultras, die mit blauen und gelben Rauch in Richtung Eingang ziehen. In einer Seitenstraße stehen zwei Mannschaftswagen der Polizia, davor 15 Mann mit voller Ausrüstung: Schlagstock, Helm, Schild – und das in der 2a Categoria. Ja, das wird gut. Eigentlich ist das Centro Sportivo Agostino Cascella für solch ein Spiel völlig ungeeignet. Der Kunstrasenplatz ist an allen vier Seiten mit einem Maschendrahtzaun umgeben, so dass man ohnehin nur einen gesiebten Blick aufs Spielgeschehen erhält. Aufhalten können sich Zuschauer nur entlang einer Geraden, an der auch eine überdachte Tribüne steht, und rund um das Vereinsheim hinter dem Tor. Da die Tribüne komplett vom Anhang von Partizan Bonola in Beschlag genommen wird, müssen sich die etwa 50 Gäste neben das Vereinsheim quetschen, wo sie auch eine Fahne der Ultras Trezzano aufhängen. Denkbar schlechte Bedingungen, aber dennoch gibt es durchgängig Support, Pyro und mehrere Spruchbänder. Bei Partizan Bonola sind es ebenfalls etwa 50 Leute, die hinter einer Zaunfahne stehen und sich am Support beteiligen. Viel Pyrotechnik ist auch dort im Einsatz, dazu eine Schwenkfahne. Richtig gute Veranstaltung, erst recht für diese Liga. Ich merke, dass ich mich wirklich mehr mit dem Großraum Mailand beschäftigen muss, denn da scheint es unterklassig so manch eine Fanszene zu geben. Für Partizan Bonola, wo ein Spieler beim Warmmachen in der Halbzeitpause sogar einen Schal der Ultras um die Hüfte trägt, reicht das 1:1 für den vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft, weshalb nach Abpfiff ordentlich gefeiert wird. Ich allerdings mache mich eilig auf den Weg zum Mailänder Domplatz, denn dort warten schon ungeduldig Freundin und Tochter. Ich ging eigentlich fest davon aus, dass die DB mal wieder die DB ist und mindestens ein Anschlusszug verpasst wird, aber in solchen Fällen läuft dann natürlich alles nach Plan und ich muss die Damen somit leider etwas warten lassen. Bis wir in der Nacht den Shuttlebus zum Flughafen Bergamo nehmen, haben wir noch reichlich Zeit, uns ein bisschen die Touri-Gegend rund um den Dom anzuschauen und eine Pizza am Hauptbahnhof zu essen. Aber schon jetzt sind wir wesentlich heißer auf Souvlaki und Feta, denn wir sind bereits voll im Griechenland-Modus, Malaka.