Deutschland, Kreisliga Westthüringen – Staffel 2 (9. Liga)
Sonntag, 24. Oktober 2021, 15 Uhr
Tiefenort, Waldstadion im Kaffeetälchen
Waldstadion im Kaffeetälchen – derzeit der ganz große Hype in Groundhopper-Kreisen. Ein Naturstadion mitten im thüringischen Nichts. Heimspiel für Heimspiel sollen hier weit gereiste Gäste aus der ganzen Bundesrepublik in Scharen auftauchen, nur um einmal in diesem sagenumwobenen Stadion gewesen zu sein. Dem FSV Kali Werra Tiefenort eilt dabei ein durchaus positiver Ruf voraus. Groundhopper seien gern gesehene Gäste und man fahre einen auch schon mal zum nächsten Bahnhof, eben weil dieses Tiefenort so sehr abgeschieden und mit Bus und Bahn so schlecht erreichbar ist. Wir sind heute glücklicherweise mit dem Auto unterwegs und können auf der Anreise – unter anderem vorbei an einem Wasserfall – noch die Annehmlichkeiten eines thüringischen Landgasthofs genießen. Die Vorfreude ist aber groß aufs Kaffeetälchen, so dass wir überpünktlich in Tiefenort auftauchen. Vor allem in den vergangenen Monaten habe ich beinahe wöchentlich Fotos von dem Stadion im Internet gesehen, eben weil derzeit gefühlt jeder hierher fährt. Und das ist irgendwie auch mein Problem heute, denn der ganz große Aha-Effekt bleibt aus, weil man schon jede Ecke auswendig zu kennen scheint. Zweifelsohne ein interessantes Stadion, ein Unikat, das es mit seinen steilen, in den Graswall geschlagenen Stufen so kein zweites Mal in Deutschland gibt. Aber ehrlich gesagt hätte ich es mir doch beeindruckender vorgestellt. Das würde ich wahrscheinlich anders sehen, wenn es in den vergangenen Monaten eben nicht diese immense Foto-Flut vom Kaffeetälchen gegeben hätte. Um mal ganz nüchtern bei den Fakten zu bleiben: Die BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort – benannt nach dem für Dünger benötigten Kali-Bergbau in der Region und dem durch Tiefenort fließenden Fluss Werra – war in der DDR nie eine wirklich große Nummer und spielte ab 1968 nahezu durchgehend in der 2.Liga. Immerhin, könnte man sagen, allerdings war die 2.Liga in der DDR ja nicht gleichzusetzen mit der 2.Bundesliga im Westen, weil sie immer aus mehreren Staffeln bestand. Andererseits kann man sagen: Dass das kleine Tiefenort mit seinen heute knapp 4.000 Einwohnern ein Dauergast in der 2.Liga war, ist schon beeindruckend. Und das drückt dann irgendwie auch perfekt das Stadion aus, das nicht besser zu dieser Vereinsgeschichte passen könnte. Was auf jeden Fall nicht untertrieben ist: die Gastfreundschaft des Vereins. Natürlich weiß man hier um seinen besonderen Status und dass man permanent von Leuten aus ganz Deutschland aufgesucht, aber das scheint die Leute hier gar nicht zu stören, sondern sogar stolz zu machen. Immer ein freundliches Wort parat. Dass der Verein für einen Neuntligisten ein recht üppiges Merchandising-Angebot hat und auf Schautafeln und Bannern zahlreiche historische Fotos zu sehen sind, ist da natürlich kein Zufall. Letzteres hat fast schon musealen Charakter und ist als netter Service für die auswärtigen Besucher zu verstehen. Alles in allem überwiegen klar die positiven Eindrücke, wobei es wie gesagt lediglich am aktuellen Hype um das Kaffeetälchen liegt, dass ich hier nicht vollständig aus den Socken gehauen werde.