Deutschland, Landesliga Hannover – Staffel Süd (6. Liga)
Dienstag, 24. August 2021, 19.30 Uhr
Bückeburg, Jahnstadion
Heute mal nicht Lippe, dafür aber der Bruderstaat Schaumburg-Lippe. Gemessen an der Einwohnerzahl war er mit seiner Hauptstadt Bückeburg einst der kleinste deutsche Teilstaat und damit sogar noch kleiner als Bremen, Waldeck und Lippe. In der Weimarer Republik lebten etwa 50.000 Menschen im Freistaat Schaumburg-Lippe. Während Lippe bis 1946 existierte und sich dann Nordrhein-Westfalen anschloss, behielt Schaumburg-Lippe seine Unabhängigkeit bis 1947 und wurde danach Teil von Niedersachsen. Genau wie Lippe von NRW erhielt auch Schaumburg-Lippe gewissermaßen Bestechungsgeschenke von Niedersachsen, um es bei seiner Wahl eines Bundeslandes zu beeinflussen. So erhielt Schaumburg-Lippe insbesondere das niedersächsische Verfassungsgericht, das in Bückeburg im Gebäude des ehemaligen Landtags einzog. Genug Material ist also vorhanden, um sich vor dem Bückeburger Stadtderby in der Landesliga noch ein wenig in der früheren Hauptstadt umzusehen und zeitig mit dem Zug anzureisen. Ein Glück, dass mir der heutige GdL-Streik nicht in die Quere kommt, denn bestreikt wird nur die DB – und in NRW wird praktisch der gesamte Nahverkehr von der DB-Konkurrenz betrieben. In Bückeburg nimmt mich ein Bahnhofsgebäude in Empfang, das sich in einem überraschend schlechten Zustand befindet. Das erwartet man hier nicht. Davor steht ein großes Denkmal des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, was mich ebenfalls überrascht. In Süddeutschland, das sich historisch lange Zeit als Gegenspieler von Preußen verstanden hat, gibt es ja praktisch überhaupt keine Denkmäler dieses Schicksalkrieges, der den Süden an das preußische Deutschland gebunden hat. Dann hier ein Denkmal an solch einer herausgehobenen Stelle im Stadtbild zu sehen, ist für einen Süddeutschen ungewohnt. Abgesehen vom Bahnhof ist Bückeburg aber gut in Schuss. Mit Fürst Adolf II. kam der letzte Monarch von Schaumburg-Lippe erst 1911 an die Macht. Er war regelrecht im Bauwahn und veränderte sein Land in den nur sieben Jahren seiner Regentschaft optisch massiv. Vor allem die Nachbarstadt Bad Eilsen scheint das zu betreffen, aber eben auch die frühere Hauptstadt. Für eine Stadt mit nur 20.000 Einwohnern wirkt Bückeburg an manchen Stellen fast schon zu protzig, aber sie war halt keine normale Kleinstadt. Anziehungspunkt Nummer eins ist das mitten in der Innenstadt gelegene Schloss, in dem die Fürsten residierten. Interessant ist, dass auch 75 Jahre nach der Auflösung von Schaumburg-Lippe der Name immer noch im Stadtbild präsent ist. Allen voran natürlich durch das Autokennzeichen SHG. Straßen sind nach früheren Repräsentanten des Fürstentums und des Freistaates benannt, die man außerhalb von Schaumburg-Lippe überhaupt nicht kennt, und bis heute existiert sogar noch eine eigene Landeskirche, die nicht der niedersächsischen angeschlossen ist. Ein wenig verstörend wirkt mit Blick auf die spätere deutsche Geschichte nur, dass hier manches noch nach Fürst Adolf II. benannt ist – etwa das örtliche Gymnasium, das den Namen Adolfinum trägt. In Bückeburg hat einst auch der Journalist und Schriftsteller Hermann Löns gewirkt, den man heute insbesondere mit dem alten Stadion in Paderborn in Verbindung bringt, der aber nie in Paderborn gewirkt hat. Löns war Chefredakteur der (immer noch existierenden) Landeszeitung von Schaumburg-Lippe und verbrachte seine Zeit oft in der (ebenfalls immer noch existierenden) Gastwirtschaft zur Falle, die direkt neben dem Redaktionsgebäude in der Fußgängerzone steht. Am Ende muss ich festhalten, dass mein eigentlich großzügig geplantes Zeitbudget für Bückeburg einfach nicht gereicht hat. Ich hätte zum Beispiel gerne noch ein Bierchen in der Falle getrunken und hätte auch gerne mehr Zeit am Schloss verbracht. Bückeburg – ganz klar eine positive Überraschung. Es steht ja aber auch noch Fußball auf dem Programm. Und was für einer: Evesen ist ein Stadtteil von Bückeburg, man ist sich Spinne Feind mit dem VfL Bückeburg. Neuestes Kapitel der Fehde: Dem VfL Bückeburg nahestehende Vertreter im Stadtrat haben kürzlich verhindert, dass der VfR Evesen seinen Nebenplatz ausbauen darf. Und das so kurz vor dem Derby. Dass der VfL Bückeburg selbiges als „Spiel auf dem schönsten Platz der Stadt“ ankündigt, bekommt da eine ganz eigene Note. Im Gegenzug soll es beim VfR Evesen kaum einen Spieler geben, der nicht mal beim VfL Bückeburg gespielt hat, was ebenfalls für reichlich Groll sorgt. Über die ellenlangen Schlangen vor der Kasse muss man sich also absolut nicht wundern. Schlussendlich sind es 600 Zuschauer – Wahnsinn! Richtig geile Fußball-Atmosphäre unter Flutlicht, immer wieder spontaner Support von beiden Seiten und ein schönes Stadion. Einzig die Bratwurst fällt leider komplett durch. Aber auch die kann die ansonsten durchweg schönen Eindrücke nicht trüben, die ich in Bückeburg sowohl in der Stadt als auch beim Fußball gewonnen habe.