Sonntag, 27. Januar 2019, 15 Uhr
Malakoff, Stade Lénine
Wenn in einem westeuropäischen Land
ein Stadion nach Wladimir Iljitsch Lenin benannt ist, also nach dem Gründer der Sowjetunion, dann weiß man
schon von vorneherein: Hier bewegen wir uns in einem ganz eigenen
Kosmos. Das mit Paris verwachsene Malakoff (30.000 Einwohner) ist
eine Kommunisten-Hochburg Frankreichs. Seit dem Zweiten Weltkrieg
stellt die Kommunistische Partei ununterbrochen den Bürgermeister. Von 1965 bis
1996 übte dieses Amt nahtlos Léo Figuères aus, der innnerhalb der
Résistance einer der wichtigsten Führer des kommunistischen Flügels
war. Es wundert also auch nicht, warum die Hauptstraße in Malakoff
der Boulevard de Stalingrad ist, das städtische Stadion nach Lenin
benannt wurde und auch andere Straßen die Namen französischer
Widerstandskämpfer tragen. Dem Einfluss der Kommunistischen Partei
auf die französische Regierung, an der sie mehrfach beteiligt war,
ist es ebenso zu verdanken, dass Malakoff Sitz des französischen
Statistik-Instituts INSEE und der nationalen Statistikschule ENSAE
wurde. Arbeitsplätze für die Wähler.
Ebenso wenig wundert es, dass die USM Malakoff natürlich in roten
Trikots spielt. Denn: Das M im Vereinsnamen steht für „municipal“,
also „städtisch“. Die USM ist also der Verein der
(kommunistischen) Stadtverwaltung und hatte sogar lange Jahre seine
Geschäftsstelle direkt im Rathaus. Sonderlich erfolgreich ist der
Verein trotz städtischer Unterstützung nicht. Obendrauf lockt er
kaum jemanden hinter dem Ofen hervor. Dass das Derby gegen Montrouge
(beide Stadien liegen wie erwähnt nur 15 Gehminuten auseinander)
keine 30 Zuschauer anlockt, ist schon bezeichnend. Bezeichnend ist
ebenso der Zustand des Lenin-Stadions (in der französischen
Schreibweise „Lénine“), das auch wunderbar irgendwo in Osteuropa
stehen könnte. Der Oberrang ist schon seit Jahren wegen
Einsturzgefahr gesperrt. Ein herrliches Teil! Einen starken Einsatz zeigen auch die Vereinsmitglieder, als in der zweiten Halbzeit plötzlich ein abnormaler Hagel einsetzt, wegen dem das Spiel unterbrochen wird. Mit allem, was die Stadionkatakomben hergeben, werden dann aber in Windeseile die Linien freigeschaufelt, so dass die Unterbrechung zeitlich im Rahmen bleibt. Glück für mich, denn so groß ist mein Zeitpolster nicht, ehe der Zug am Gare de l'Est zurück nach Deutschland fährt.